Eine spezielle Entwicklung der großräumigen Wetterlage über Europa und Nordafrika in der letzten Februarwoche hat es möglich gemacht: Sie bewirkte einen Transport von großen Mengen von Saharastaub von der westlichen Sahara über die Kanaren, die iberischen Halbinsel und Frankreich bis nach Deutschland. Auf den Kanaren war es ein sehr markantes Ereignis mit weitreichenden Folgen. Aber die weitere Entwicklung bis zu uns hier in Deutschland war auch sehr interessant und war auch ein schönes Beispiel, wie das Wetter und insbesondere Fronten die Feinstaubmesswerte (und auch die Lärmmesswerte) beeinflussen können. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass Saharastaub ein guter Test dafür ist,wie gut die OK-Lab-Sensoren Feinstaub der Fraktion PM10 erkennen könnnen. Weiterhin kann man sehen, dass hohe relative Luftfeuchte nicht unbedingt Einfluss auf die Messwerte preisgünstiger Feinstaubsensoren haben muss und insbesondere nicht zu einer Erhöhung der Messwerte führen muss.

Die Großwetterlage 

Diese Wetterentwicklung bahnte sich bereits um den 20.2.2020 herum an. Daher habe ich im Forum der Wetterzentrale eine Analyse der damaligen Modellvorhersagen durchgeführt. Einige der gravierdenden  Folgen auf die Kanaren sind sind in diesem Thread des Wetterzentrale nachlesbar.  Das Titelbild (s.o. )zeigt diesen riesigen Ausbruch von Saharastaub.am 25.2.2020. Auf dem Bild hat er die Kanaren bereits hinter sich gelassen, reicht weit nach Norden und wurde dann von der Westströmung im weiteren Verlauf aufgenommen und bis zu uns transportiert. Dabei spielte das Orkantief Jorge (in Deutschland 'Bianca') die Rolle des Transporteurs nach West- und Mitteleuropa.. Das Tief schaufelte auf seiner Vorderseite im Warmsektor diese staubige Luftmasse bis zu uns.

Schön zu sehen ist dies auf der Karte der so genannten Rückwärtstrjektorien. Sie zeigen auf, welche Wege eine Luftmasse zuückgelegt hat bis sie an einen bestimmten Ort gelangt ist. In diesem Fall ist der Ort Karlsruhe am 29.2. um 12 UTC, also um 13:00 MEZ. Dabei wird auch der vertikale Verlauf in der Atmosphäre in 3  Höhenstufen dargestellt.

Trajektorien 12z KA 2020 03 01T13 09 37.401Z
Quelle: wetter3.de

 Eintreffen des Saharastaubs in Baden-Württemberg

Dieses staubige Luftmasse traf zuerst in der Höhe ein. Daher konnte man sie an der Station der LUBW Käblescheuer in ca. 1000 m Höhe im Südschwarzwald zuerst sehen. Dort traf sie bereits am 29.2.im Verlauf der Nacht ein. Dies zeigt die folgende Aufbereitung der Stundenmittelwerte aus dem staatlichen LUBW-Netz von Kachelmannwetter:

 Kachelmannwetter Kaelblescheuer 2020 03 01T16 36 53.230Z

Quelle: Kachelmannwetter.com bzw. LUBW

Die Werte liegen zeitweise über dem EU-PM10-Grenzwert des Tagesmittels von 50 µg/m3. Das kommt in dieser Höhe fast nur bei solchen Saharastaubausbrüchen vor. Die Station liegt bei Inversionswetterlagen meist oberhalb der Inversion und hat daher meist relativ geringe Konzentrationen. Am Boden kam der Staub erst etwas später an. Dies zeigt der PM10-Verlauf an einer OK-Lab-Station in Basel:

OKLab Basel 2020 03 01T17 05 05.755Z

Quelle: luftdaten.info (bzw. sensor.community)

Man kann schön erkennen, dass die PM2,5-Fraktion viel weniger deutlich reagiert. Saharastaub besteht zum größten Teil aus größeren Sandpartikeln. Die Staubwolke erreichte dann auch rasch die Region Stuttgart, was die PM10-Werte der LUBW-Station Ludwigsburg zeigen:

Kachelmannwetter LB 2020 03 01T16 41 44.293Z

Quelle: Kachelmann.com, bzw. LUBW

Die Werte liegen aber bereits deutlich niedriger als in der Höhe. Leider gibt es von der LUBW für PM2,5 keine öffentlich zugängliche Stundenmittelwerte, sondern nur Tagesmittelwerte. In Ludwigsburg lag das Tagesmittel von PM2,5 am 29.2.2020 bei 8 µg/m3.

Vergleich der Messwerte verschiedener Sensoren

 An meiner Station in Leonberg zeigten 2  nebeneinander befindlichen Sensoren unterschiedlicher Hersteller (SDS011 und SPS30) folgenden Verlauf.

PM10:

 

Umweltstation Glemstal PM10 Vergleich 2020 03 03T14 16 37.238Z

PM2,5:

Umweltstation Glemstal PM2 5 Vergleich 2020 03 03T14 30 50.058Z

Man erkennt zum einen, dass die beiden Sensoren den qualitativen Verlauf der Situation gut erfassen. Quantitativ liegen sie allerdings auseinander.und zeigen insgesamt deutlich niedrigere Werte an als die Stationen der LUBW. Allerdings liegen die nächsten Stationen der LUBW relativ weit von Leonberg weg. Bei dieser Lage muss man beim Vergleich mit anderen Standorten vorsichtig sein. Denn diese Staubwolke kann lokal deutlich unterschiedliche Konzentrationen aufweisen. Insgesamt zeigen jedoch die LUBW-Stationen in der Region schon ein deutlich höheres Niveau, insbesondere bei PM10. Dies zeigen die Tabellen (PM10 und PM2,5) der Tagesmittelwerte der LUBW vom 1.3 für den 29.2 (TMW gestern):

LUBW PM10 2020 03 01T21 52 18.404ZLUBW PM2 5 29-02-2020

Diese Schwäche der preisgünstigen Sensoren bei Saharastaub ist bekannt. Der Grund dafür ist vor allem, dass sie als PM2,5-Sensoren konzipiert sind und PM10 eher abschätzen. Bei 'normalem' Feinstaub sind die Unterschiede deutlich geringer. Saharastaub ist so etwas wie ein 'Stresstest' für die preisgünstigen Sensoren, insbesondere für PM10. Interessant sind jedoch auch die Unterschiede zwischen dem SDS011, der im OK-Lab-Netz als 'Standard-Sensor' eingesetzt wird, und dem neueren Sensor SPS030 der Schweizer Firma Sensirion. Der SPS030 unterschätzt die PM10-Konzentration noch stärker als der SDS011. Bei PM2,5 liegt der SPS30 jedoch höher und kommt daher den LUBW-Werten näher. 

Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Anteil des Saharastaubs aufgrund der derzeitigen Vorschriften für den offiziell gültigen Messwert weggerechnet werden darf. Der offizielle Messwert wir nach dem gravimetrischen Verfahren ermittelt. Dazu dienen Filter, die täglich gewechselt werden. Im Labor der LUBW wird das Gewicht des auf dem Filter befindlichen Feinstaubs ermittelt. Dort kann auch die Zusammensetzung des Feinstaubs ermittelt werden und damit der Anteil des Saharastaubs bestimmt werden. Die oben gezeigten aktuellen Werte des LUBW-Netzes werden über Steulichtverfahren ermittelt und sind daher nur vorläufig. Es wird spannend sein, wie die korrigierten Werte aussehen. Leider kann es erfahrungsgemäß einige Wochen dauern, bis die Ergebnisse vorliegen. Möglicherweise liegen die OK-Lab- Werte näher an den offiziellen Werten als die über das Streulichtverfahren ermittelten aktuellen Werte.

Vergleich der Feinstaubkonzentrationen mit meteorologischen Parametern

Unabhängig von den Absolutwerten zeigen die Werte sowohl der LUBW- als auch der OK-Lab-Stationen den typischen Verlauf der Feinstaubkonzentrationen bei Durchzug einer Front, in diesem Fall einer schnell ziehenden Kaltfront. Durch den Saharastaub wird dieser Verlauf noch deutlicher erkennbar. Die meteorologischen Parameter stammen von meiner Davis pro 2 - Wetterstation, belüftet, welche ich auf dem gleichen Grundstück wie die Feinstaub-Sensoren betreibe. Es handelt sich dabei um eine semiprofessionelle Wetterstation. Die Werte sind also sehr verlässlich.

Wind: der wichtigste Faktor

Wichtig bei Vergleichen mit Feinstaubkonzentrationen ist immer der Windverlauf, insbesondere die Windböen. In diesem Fall wehte im Warmsektor des Tiefs ein recht kräftiger und böiger Wind aus südwestlicher Richtung. Er  führte die staubige Saharaluft heran. Die Ursache für die höheren Feinstaubkonzentrationen ist also Fernstransport von dreckiger Luft. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den klassischen winterlichen Inversions-Wetterlagen, bei denen die Feinstaubkonzentrationen durch austauscharme Wetterlagen erhöht ist. Das folgende Bild zeigt den engen Zusammenhang der Windgeschwindigkeit und der Böigkeit mit der Feinstaubkonzentration: Vergleich PM10 mit Windböen

Quelle: Eigene Wetterstation Davis mit Belüftung

Die Feinstaubkonzentration stieg mit der Windgeschwindigkeit an und verharrte auf hohem Niveau. Bei Durchzug der Kaltfront um ca. 18:45 ging sie schlagartig zurück. Die neue Luftmasse mit sauberer Atlantikluft hinter der Front in Verbindung mit den starken Böen und kurzzeitig starkem Regen hatte dies bewirkt..

Relative Luftfeuchte: Die überschätzte Größe

Sehr interessant ist der Verlauf der relativen Luftfeuchte, welche das folgende Bild zeigt:

Vergleich PM10 mit Feuchte 2020 03 03T16 25 04.913Z

Sie stieg zunächst am frühen morgen bis nahe 90% an. Die Feinstaubkonzentration reagierte kaum. Sie blieb zunächst konstant. Mit Einsetzen des Windes um ca. 07:00 - 08:00 Uhr (s.o.) stieg die Konzentration an und gleichzeitig sank die relative Feuchte stark bis auf ca. 55%. Auch darauf reagierte die Konzentration kaum. Mit dem Herannahen der Front stieg die relative Feuchte wieder an. Die Feinstaubkonzentration blieb aber auf dem gleichen hohem Niveau. Nach Durchzug der Front ging die Feuchte sogar noch etwas weiter hoch. Die Feinstaubkonzentration sackte aber schlagartig ab. Die saubere Atlantikluft hinter der Front hatte sich durchgesetzt und dies wurde auch von den Sensoren richtig gemessen.

Diese Wettersituation zeigt sehr deutlich, dass es in der realen Atmosphäre meist keinen Zusammenhang zwischen der relativen Luftfeuchte und der gemessenen Feinstaubkonzentration von preisgünstigen Sensoren gibt, selbst wenn die relative Feuchte hoch ist.Grund: Der Wind ist der viel wichtigere Faktor. Er steuert die Kondensationsbedingungen. Hohe Luftfeuchte ist nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Kondensation an den Partikeln und erst wenn Kondensation auftritt, können die Werte höher sein als bei den offiziellen Messtationen, welche vor der Messung die Luft trocknen. Daher ist auch eine Feuchtekorrektur so schwierig. Sie funktioniert allenfalls unter Laborbedingungen.

Temperatur: Keine Einflussgröße für die Feinstaubkonzentration, aber ein guter Indikator für die Sahara-Luftmasse

Die Sahara-Luftmasse ist auch bei der Temperatur gut zu erkennen. Sie ging auf fast 15° hoch. Für die Jahreszeit ist dies ungewöhnlich:

Vergleich PM10 mit Temperatur 2020 03 03T16 49 31.029Z

Ein Seitenblick auf den Einfluss der Wettersituation auf den Umgebungslärm

Die Wettersituation hatte auch deutlichen Einfluss auf den Umgebungslärm. Dies zeigt sich vor allem bei den Windböen. Neben den Feinstaubsensoren ist auch einer der neu entwickelten Lärmsensoren angebracht, so dass ein Vergleich des Verlaufs der Geschwindigkeit der Windböen möglich ist. Das folgende Diagramm stellt folgende Parameter dar:

  • Die Spitzengeschwindigkeit der Windböen innerhalb von 2,5 Minuten
  • Den Minimalwert der Lautstärke innerhalb von 2,5 Minuten (LAmin)
  • Den 2,5 Minuten- Mittelwert der Lautstärke (LAeq)
  • Den Maximalwert der Lautstärke innerhalb von 2,5-Minuten.

Vergleich Lärm Wind 2020 03 03T20 48 28.703Z

Daraus ist ersichtlich: Auf die Windböen reagierten vor allem die Lärm- Spitzenwerte (LAmax). Sie lagen meist beständig oberhalb von 60 db(A). Allerdings ist zu beachten, dass der Standort in der Nähe einer Bahnlinie mit S-Bahn- und Güterzugverkehr liegt. Da der 29.2. ein Sonntag war sind jedoch nur wenige Güterzüge gefahren. Normalerweise würden die Güterzüge bei der Lautstärke zusätzlich mitmischen. Die Geräusche der S-Bahnen gehen dagegen fast völlig unter. Während des Frontdurchzugs übernahm dann der Wind auf jeden Fall das Kommando. Das Heulen des Sturms ist deutlich erkennbar. Immerhin gehen die TAmax-Werte bis leicht über 90 db(A). Hinzu kamdann auch noch das Geräusch des kurzzeitig starken und peitschenden Regens.

Bemerkenswert ist, dass die Böen zwar das 'normale' Lautstärke-Niveau deutlich anheben, aber dieses Niveau würde selbst bei Nacht nicht annähernd ausreichen, um an den derzeit angewandten Jahresgrenzwert zur Gesundheitsgefährdung heranzukommen (nach Richterrecht, einen gesetzlichen Grenzwert gibt es nicht). Auch beim stärkeren Sturm 'Sabine' vor einigen Tagen war dies der Fall. Im Klartext: Selbst wenn es jede Nacht ständig so laut wäre wie bei dem Sturm Sabine, wäre dies nach dem derzeitigen Recht nicht gesundheitsgefährdend. Daran kann man ermessen, wie hoch Lärmgrenzwerte derzeit angesetzt sind.