Es ist nun so weit: Die Entwicklung eines preisgünstigen Lärmsensors zur Messung des Umgebungslärms ist als Beta-Version abgeschlossen. Unser bisher auf die Messung von Feinstaub ausgerichtetes Netz wird damit um einen wichtigen Umweltparameter erweitert.

Der Digital Noise Measurement Sensor (DNMS) baut auf modernster Technologie auf. Das verwendete Mikrofon basiert auf der so genannten MEMS-Technologie, welche auch in Smartphones eingesetzt wird. Die Verarbeitung der Mikrofonsignale übernimmt ein leistungsfähiger Prozessor, der die speziellen Anforderungen akustischer Berechnungen erfüllt und erhebliches Potential für die Entwicklung von Erweiterungen hat. Die gemessenen Werte werden an den in unserem Netz verwendeten Kommunikationsprozessor weitergeleitet, von dort wie die bisherigen Feinstaubparameter in unser Netz übertragen und auf unserem Server visualisiert und gespeichert bzw. archiviert. Durch diese Modularisierung kann der Sensor sowohl als eigenständiger Lärmsensor oder in Verbindung mit einem Feinstaubsensor betrieben werden. Im ersten Fall ist der Kommunikations- Prozessor im Lärmsensor mit enthalten, im zweiten Fall enthält er nur die Mikrofoneinheit und den Akustik-Prozessor und nutzt über ein Datenkabel (I2C-Bus) den Kommunikationsprozessor des Feinstaubsensors.

Die Entwicklung des Sensors erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik Stuttgart. Im Schalllabor erfolgten die Vergleichsmessungen zwischen den Prototypen des Lärmsensors und einem Klasse 1 Referenz- Messgerät des Instituts. In einer iterativen Vorgehensweise wurden die Signale des Mikrofons mit Hilfe von Software so angepasst, dass die zur Messung des Umgebungslärms notwendigen Anforderungen erreicht werden können. Wir werden die Testergebnisse der Labor- und Feldmessungen veröffentlichen, sobald sie aufbereitet sind. Dies war eine zeitaufwändige aber wichtige Arbeit, da die Rohwerte des Mikrofons diese Anforderungen bei weitem nicht erfüllen können, mit ein Grund, warum es so große Qualitäts-Unterschiede zwischen den zahlreichen auf dem Markt erhältlichen Smartphone-Apps zur Lärmmessung gibt. Die Software entscheidet über die Qualität.

In der ersten Version  liefert der Sensor folgende 3 Schallpegel-Messwerte, jeweils über die in unserem Netz  verwendete Taktzeit von 2,5 Minuten und jeweils mit A-Bewertung, wie es im Bereich der Messung von Umgebungs- bzw. Verkehrslärm üblich ist:

  • LAeq: Der äquivalente Dauerschallpegel A-bewertet. Dies ist die über die Zeit gemittelte Schallenergie. Der LAeq ist der wesentliche Messwert bei Lärmmessungen. Grenzwerte aus Richtlinien, Verordnungen und Gesetzen beziehen sich meistens auf den LAeq.
  • LAmax: Höchster Einzelpegel innerhalb des 2,5 Minuten Taktes, wobei die interne Taktrate eines Einzelpegels 35 Millisekunden beträgt
  • LAmin: Niedrigster Einzelpegel innerhalb des 2,5 Minuten Taktes, wobei die interne Taktrate eines Einzelpegels 35 Millisekunden beträgt

Die üblichen Auswertungen, wie Stunden und Tagesmittel sowie Mittelwerte für Tag/Nacht erfolgen über die Server-Anwendung des luftdaten.info Netzes.

Da der Sensor im Freien eingesetzt wird, ist ein wetterfestes Gehäuse notwendig. Auf dem Markt erhältliche Wetterschutzlösungen sind sehr teuer. Zur Anwendung kommen preisgünstige Bauteile aus dem Baumarkt wie schon beim Feinstaubsensor. Bei Feldversuchen seit Mitte Mai 2019 mit Prototypen  stellten sich die Mikrofone bei waagrechter Anbringung als erstaunlich wetterfest heraus und hatten bisher keinerlei wetterbedingte Ausfälle, obwohl es teilweise extreme Wetterbedingungen gab, wie z.B. Rekordhitze, Gewitter, Dauerregen oder Sturm. Ein Einfluss des Wetterschutzes auf die Akustik ist zwar vorhanden, aber die Größenordnung hält sich zumindest bei normalen Wetterbedingungen im Rahmen und kann ggf. durch einen Korrektur ausgeglichen werden.

Die verwendete Technologie hat hohes Potential für Erweiterungen. Der Akustik-Prozessor kann z.B. bereits jetzt über eine USB-Schnittstelle Audio-Daten liefern. Mittels FFT kann in einer nächsten Version der Schall im Frequenzbereich betrachtet werden. Mit KI-Mitteln können zukünftig Lärmarten / Lärmereignisse unterschieden werden. Auch reaktive Anwendungen aufgrund spezieller Lärmereignisse sind denkbar.

Ein Ziel ist z.B., die derzeit im Bereich des Verkehrslärms über Modelle errechneten Lärmkarten zu verifizieren und an der Möglichkeit zu arbeiten, diese dynamisch an Messwerte anzupassen. Diese Modellkarten sind derzeit die ausschließliche Grundlage für Entscheidungen in Verwaltungsverfahren, wenn es um Verkehrslärm geht, und damit insbesondere auch die Grundlage zur Initiierung  von Lärmschutzmaßnahmen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es allerdings notwendig, eine gewisse Flächendeckung von Sensoren  v.a. an stark befahrenen Verkehrswegen zu erreichen. Dafür eignet sich unser Konzept hervorragend. Beim Feinstaub ist es gelungen, sehr viele interessierte Bürger für die Messung von Feinstaub zu motivieren und damit eine hohe Flächendeckung zu erreichen. Das Erfolgsrezept war und ist im Einzelnen:

  • Verwendung von Sensoren, die sich jeder interessierte Bürger finanziell leisten kann.
    Der Lärmsensor ist zwar teurer als der Feinstaubsensor, aber die reinen Materialkosten liegen nur bei  ca. 70 EURO. Bei höheren Stückzahlen kann der Preis deutlich reduziert werden.
  • Möglichst leichter Zusammenbau und Installation des Sensors.
    Die Installation und Anmeldung des Sensors im Netz ist genauso einfach wie beim Feinstaubsensor. Beim Zusammenbau ist derzeit noch etwas handwerkliches Geschick erforderlich. An einer Lösung,  bei der man so wie beim Feinstaubsensor ohne Löten auskommt, wird gearbeitet. Mehrere Gehäusevarianten sind möglich. Von der preiswerten Baumarkt-Version bis hin zu einer optisch ansprechenden 3-D-Drucklösung.
  • Eignung für stationären Dauerbetrieb im Außenbereich
    Dies ist gerade bei der Messung von Umgebungslärm eine wichtige Voraussetzung. Temporäre Messungen mit mobilen Geräten reichen zur Beurteilung des Umgebungslärms nicht aus. Hilfreich ist dabei auch, dass der Sensor nicht kalibriert werden muss. Hinzu kommt eine einfache Datenübertragung zum Server via WLAN über einen lokalen Router und Stromversorgung über USB-Kabel.
  • Visualisierung der Messwerte über Karte und Speicherung bzw. Archivierung auf dem Server.
  • Offene Daten und Software. Jeder Interessierte (auch Organisationen) kann aufbauend auf der vorhandenen Basissoftware eigene Auswertungen/Anwendungen hinzufügen oder sich generell an der Weiterentwicklung beteiligen.

Vor diesem Hintergrund sind die Weichen dafür gestellt, dass die Messung des Umgebungslärms eine ähnliche Erfolgsgeschichte werden kann wie die Feinstaubmessungen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen daran teilzunehmen und ihr Know-How in das Vorhaben einzubringen.

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