Ergebnisse der Veranstaltung der Bahn AG am 23.4.2018 in der Leonberger Stadthalle

Die Deutsche Bahn Netz AG (DB-Netz AG) hatte zusammen mit der Stadt Leonberg zur Vorstellung der geplanten Lärmschutzmaßnahmen nach dem freiwilligen Lärmschutzprogramm des Bundes eingeladen. Die DB AG führt die Lärmsanierung im Auftrag des Bundes bzw. des Eisenbahnbundesamtes (EBA) durch.

Erfreulich viele Bürger waren in die Stadthalle gekommen, obwohl nur ein Teil der vom Bahnlärm betroffenen Anlieger von der Bahn AG direkt eingeladen waren. Dies führte im Vorfeld der Veranstaltung zu Irritationen, da es viele Fälle gab, bei denen gleich stark vom Bahnlärm betroffene Anlieger eine Einladung erhalten hatten und andere nicht. Des Rätsels Lösung sind baurechtliche Einschränkungen, die bei diesem Verfahren gelten. Entscheidender Stichtag ist der 1.4.1974 (Inkrafttreten des Immissionsschutzgesetzes). Nur wenn ein betroffenes Haus vorher gebaut wurde oder der derzeit gültige Bebauungsplan vor diesem Datum in Kraft trat, hat der Eigentümer Anspruch auf Lärmschutz nach diesem Verfahren.

Oberbürgermeister Kaufmann stellte gleich klar, worum es der Stadt und den Anliegern geht: Die Bürger müssen vor den Gesundheitsgefahren des Bahnlärms bestmöglich geschützt werden. Er begrüßte sehr, dass nun endlich auch Leonberg mit konkreten Maßnahmen der Lärmsanierung an der Reihe ist. Er machte aber auch keinen Hehl daraus, dass ihm bewusst ist, dass dieses Ziel durch das Lärmsanierungsprogramm alleine nur eingeschränkt erreicht werden kann und es daher einer weiteren Runde bedarf, bei der es eine zusätzlich ‘To do Liste‘  geben wird. Er betonte aber ausdrücklich, dass dadurch die jetzt vorgesehenen Maßnahmen auf keinen Fall  verzögert werden dürften. Sie müssten unabhängig davon so schnell wie möglich umgesetzt werden.   

Danach stellt die Projektleiterin der DB Netze AG, Frau Weiler, zusammen mit dem Lärmgutachter MODUS CONSULT die rechtlichen und Grundlagen sowie die vorgesehenen Maßnahmen und die geplante organisatorische Umsetzung vor. Die wesentlichen Maßnahmen sind der Bau von insgesamt 4 Lärmschutzwänden in den Stadtteilen Gartenstadt und Silberberg sowie ergänzende passive Lärmschutzmaßnahmen für die berechtigten Anlieger in allen betroffenen Stadtteilen, insbesondere auch in Höfingen.  Die Realisierungszeit ist mit mindestens 5 Jahren allerdings sehr lang.

Im Anschluss daran gab es eine lebhafte Diskussion mit den anwesenden Bürgern, insbesondere auch von Mitgliedern der AGVL, welche u.a. die Schwachpunkte und die Lücken der vorgestellten Maßnahmen aufzeigte. Wesentliche Punkte waren dabei:

  • Die baurechtlichen Einschränkungen führen in der Sache zu schwer verständlichen Lücken. Manche Anwohner kommen in den Schutz der Lärmschutzwände, andere nicht, obwohl sie gleich oder sogar noch stärker belastet sind.
  • Die Förderrichtlinien sehen einen Passus vor, dass die baurechtlichen Einschränkungen entfallen, wenn nach dem Bau eines Hauses der Verkehrslärm nach Errichtung des Hauses in nicht vorhersehbarer Weise zugenommen hat. Dies kann für einige oder sogar alle Anlieger mit Grenzwertüberschreitungen der Fall sein, weil sich die Nutzung der Bahnstrecke nach 1974 stark verändert hat. 1974 bestand z.B. noch in der Nacht Betriebsruhe.  Inzwischen fahren nachts viele internationale Güterzüge, die früher über Stuttgart gefahren sind.  Frau Weiler widersprach jedoch, dass dieser Passus zur Anwendung kommen könne.
  • Die der Berechnung zugrunde liegenden Zugzahlen seien zu niedrig angesetzt. Dafür gebe es  zahlreiche Argumente.  Frau Weiler sieht diese Gefahr nicht.
  • Es wurde darauf hingewiesen, dass die Förderrichtlinien noch viele weitere Lärmschutzmaßnahmen als nur die vorgeschlagenen ‚Standard‘- Lärmschutzwände und Lärmschutzfenster vorsehen. Insbesondere betrifft dies z.B. Entdröhnung von Brücken oder Schienenschmieranlagen an engen Kurven. Davon betroffen ist vor allem die Gartenstadt.  Frau Weiler bezweifelte jedoch die Wirksamkeit solcher Maßnahmen.
  • Der Prognosehorizont von 2025 ist zu kurz. Er müsste auf 2030 angehoben werden. Dies bestätigte Frau Weiler, allerdings habe sie noch keine Zahlen vom EBA.
  • Es wurde vorgeschlagen, die passiven Maßnahmen vorzuziehen, insbesondere an Häusern, bei denen die die Werte über 60 db(A) nachts liegen. Denn an diesen Häusern besteht aus Gesundheitsgründen unmittelbarer Handlungsbedarf, unabhängig von den baurechtlichen Einschränkungen des Lärmsanierungsverfahrens.  
  • Es gab Klagen über den Lärm der Lüfter der Klimaanlagen der S-Bahnen. Frau Weiler erklärte, dass dies in der Berechnungsformel berücksichtigt sei.

Fazit:
Aus Sicht der AGVL ergibt sich ein gespaltenes Bild. Einerseits ist es natürlich sehr begrüßenswert, dass 19 Jahren nach Start des freiwilligen Lärmsanierungsprogramms endlich viele Anlieger auch in Leonberg Aussicht auf eine deutliche Verbesserung des Lärmschutzes haben. Andererseits ist klar, dass es sich dabei nur um eine Art ‘Lärmschutz Light‘ handelt. Dies zeigt sich vor allem auch bei den Grenzwerten, welche den Maßnahmen zu Grunde liegen.  Sie sind um 2 db(A) höher als die Zielwerte, welche der Gemeinderat im Rahmen der Lärmaktionsplanung erst kürzlich beschlossen hat und um 8 db(A)höher als beim Neubau einer Strecke. Zum Vergleich: Die vorgesehenen Lärmschutzwände  reduzieren den Lärm zwischen 3 bis 7 db(A) im Durchschnitt. 10 db(A) entsprechen einer Halbierung des Lärms. An vielen Häusern reichen die vorgeschlagenen Lärmschutzwände noch nicht einmal aus, um den Grenzwert an allen Fassaden vollständig einzuhalten, so dass noch zusätzlich Lärmschutzfenster eingebaut werden müssen. Es zeigt sich auch, dass unsere Kritik berechtigt ist, dass die Lärmschutzgesetzgebung, welche vom Grundsatz her seit 1974 gilt, inzwischen veraltet ist und dringend einer Novellierung bedarf. Wir verweisen auf unsere kürzlich Aktion zusammen mit zahlreichen Bürgerinitiativen, bei der wir die die Aussagen des Koalitionsvertrages zum Verkehrslärmschutz kommentierten und unter anderem auch auf die Schwächen des Lärmsanierungsverfahrens eingingen.

Wir vertrauen nun auf das Verhandlungsgeschick unseres Oberbürgermeisters und bringen gerne unsere Argumente und unsere Anregungen für die versprochene ‘2. Verhandlungsrunde‘  ein. Wir hoffen, dass wir gemeinsam die vielen Ungereimtheiten in der derzeitigen Lärmschutzgesetzgebung überwinden und  eine befriedigende Lösung unter Einbeziehung der Politik für Leonberg erreichen können.

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