Lärmausbreitung ist nicht ganz einfach

Die Lärmausbreitung ist eine komplexe Sache und führt an manchen Stellen auf den ersten Blick zu überraschenden und irritierenden Ergebnissen. Die Lärmkartierungen sind eine relativ grobe Grundlage zur Beurteilung der Verkehrslärmsituation im Stadtgebiet.

Sie können die konkrete Lärmsituation an bestimmten Orten und zu einer bestimmten Zeit nur annähernd wiedergeben. Wichtige Faktoren wie z.B. meteorologische oder topografische Bedingungen, wie sie gerade in Leonberg besonders stark vorkommen, sollten bei der Lärmaktionsplanung zusätzlich berücksichtigt werden. Davon betroffen sind v.a. die Autobahn und die Bahnlinie.

Meteorologische Bedingungen

Die A 8 liegt über weite Strecken in einer Senke und die Bahnlinie liegt in einem Tal. Dort haben wir vor allem nachts häufig so genannte Inversionslagen. Die Kaltluft sinkt in die Senken ab. Die Temperatur ist dort tiefer als in der Höhe. Es bildet sich eine so genannte Grenzschicht. Der Lärm wird an dieser meist relativ tief liegenden atmosphärischen Grenzschicht gebrochen bzw. (mehrfach) reflektiert. Dies führt dazu, dass der Lärm viel weiter und stärker hörbar ist als unter ‚normalen’ Bedingungen. Dabei spielt die Verkehrsmenge eine große Rolle, da die abgestrahlte Schallenergie nicht linear, sondern weit überproportional mit der Verkehrsmenge zunimmt (Autobahn und B 295). Oft sind davon die gesamte Kernstadt und der Stadtteil Silberberg betroffen. Dieses Phänomen tritt besonders nachts und am frühen Morgen auf und ist dadurch für die Anwohner besonders unangenehm und in hohem Maße gesundheitsschädlich. Diese meteorologischen Bedingungen treten in Leonberg sehr oft auf (in nahezu der Hälfte der Tage des Jahres). Die gerechneten Mittelungspegel der Kartierung berücksichtigen diese spezielle Situation nur unzureichend.

Auch bei stärkerem Wind erhöhen sich die Pegel in Windrichtung erheblich. Die dominierende Windrichtung ist bei uns Südwest und daher wird der Lärm der A8 in diesem Fall in die Stadt getragen. Auch dies wird nur unzureichend berücksichtigt. In die Berechnungen geht lediglich der Jahresdurchschnittswert ein und dieser ist in Leonberg relativ gering. Bei geringer Windgeschwindigkeit ist jedoch die Inversionsgefahr hoch, so dass sich die beiden Effekte bei der Anzahl der lauten Nächte summieren.

Wir verweisen auf den Wikipedia-Artikel Lärmausbreitung. Wie stark solche Phänomen wirken können zeigt folgendes Zitat:

„Die wetterbedingte Schwankung des Schallpegels in 500 bis 1000 m Entfernung von einer konstanten Schallquelle kann zwischen 20 und 30 dB betragen.“

Dies entspricht einer Schwankung des Pegels um das 3 bis 9- fache. Paradoxerweise sind davon die nahe an der Autobahn liegenden Anwohner weniger betroffen, weil im Nahbereich die Schallschutzeinrichtungen wirken. Dies führt oft zu Irritationen in der Bewertung der Schallwirkung von hoch belasteten Verkehrswegen.

Topografie

Die ausgeprägte Topografie des Leonberger Stadtgebiets führt auch zu weiteren unangenehmen Verstärkungen in Teilen des Stadtgebiets.

So wirken z.B. die Steigungsstrecken der A8/A81 von Leonberg Ost in Richtung Stuttgarter Kreuz sowie der Anstieg der B 295 vom Westanschluss in Richtung Renningen wie ‘Lärmtrompeten‘. Der Lärm wird von dort ungehindert ‚von oben‘ ohne Bodendämpfung abgestrahlt. Außerdem grenzt im Süden die A8 über weite Strecken unmittelbar an einen Hang. Dort treten Reflexionen auf, welche über die Schallschutzeinrichtungen hinaus in die Stadt wirken können und durch Mehrfachreflektionen am Lärmschutzwall verstärkt werden können, da die Lärmschutzeinrichtungen derzeit wenig absorbierend sind.

Auch die Bahnlinie hat Besonderheiten. Der Grund liegt in der ausgeprägten Tallage, welche den Schall reflektiert. Außerdem hat die Bahnstrecke sehr enge Kurven und eine hohe Steigung. Das Kurven- Gequietsche und die unter Volllast fahrenden Lokomotiven erzeugen zusätzlichen und besonders unangenehmen Lärm.

Reflektionen werden von den Modellen zwar berücksichtigt, meist aber nur in vereinfachter Form. Die Kurven und die Steigungen werden nur bedingt berücksichtigt.

Wirkung des nächtlichen Bahnlärms

Wissenschaftliche Erkenntnisse  lassen den Schluss zu, dass speziell der nächtliche Güterzuglärm gesundheitlich ungünstiger ist als gleich hoher Straßenlärm. Die extrem hohen Pegel des relativ kurzzeitigen Lärmereignisses einer Güterzugdurchfahrt haben starke schädliche Wirkungen auf den Organismus. Der Mittelungspegel, der bei der Kartierung verwendet wird, berücksichtigt dies nicht – im Gegenteil. Er mittelt diese Lärmspitzen heraus und gaukelt somit eine wesentlich günstigere Lärmsituation vor, als dies tatsächlich der Fall ist.